Das Skatparadoxon

Ja, der Artikel ist nicht neu. Ich habe ihn in ähnlicher Form schon vor einigen Jahren auf der Skatwelt veröffentlicht. Da hatte ich noch studiert und bin das erste Mal mit dem Geburtstagsparadoxon konfrontiert worden. Da ich das Thema sehr faszinierend finde, lasse ich es hier im Blog nochmals aufleben.

Das Geburtstagsparadoxon besagt folgendes: Es gibt 365 verschiedene Tage, an denen ein Mensch Geburtstag haben kann (den 29. Februar lassen wir jetzt mal weg). Man sollte jetzt denken, dass man daher sehr viele Menschen benötigt, um zwei zu finden, die am selben Tag Geburtstag haben. Tatsächlich sind es aber sehr, sehr viel weniger.

Wir arbeiten hier nämlich mit Wahrscheinlichkeiten. Ich kann 350 Personen in einem Raum haben und dennoch gibt es nicht zwei, die am selben Tag Geburtstag haben. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es diese zwei Personen mit demselben Geburtstag gibt, ist natürlich sehr hoch.

Tatsächlich genügen bereits 23 Personen, um mit 50%iger Wahrscheinlichkeit zwei Personen mit dem selben Geburtstag zu finden. Bei 50 Personen beträgt die Wahrscheinlichkeit sogar über 97%!

Was hat das Ganze mit Skat zu tun?

Skat ist das Spiel der großen Zahlen. Und die größte mir bekannte Zahl in diesem Zusammenhang ist die Anzahl der möglichen Kartenverteilungen. Und die Zahl ist ganz schön groß.

2.753.294.408.504.640

Das sind 2,7 Billiarden! Zum Vergleich: Die aktuelle Höhe der Staatsschulden der Bundesrepublik Deutschland beträgt (Stand August 2012) 2,1 Billionen. Das ist weniger als ein Tausendstel!

Die Zahl ist so groß, dass sie gerne als Beweis für die Komplexität des Skatspiels herangezogen wird.

So schreibt Egbert Odenbach in seinem Buch „Skat-Therapie“:

Es dauert somit Millionen Jahre, bis drei Spieler genau dasselbe Blatt bekommen, auch wenn sie jeden Tag 10 oder ein paar mehr Stunden zusammensitzen. Zum leichteren Nachrechnen: An fünfzig Millionen Tischen müßten einhundertfünzig Millionen Skatspieler einhundert Jahre lang reizen, ehe sich ein Spiel wiederholt.

Wie ich jetzt zeige, ist diese Aussage falsch. Denn tatsächlich würde es so lange dauern, bis alle möglichen Kartenverteilungen durchgespielt wurden. Aber die Karten werden nach jedem Spiel neu gemischt. Und damit spielen vorangegangene Spiele überhaupt keine Rolle mehr. Theoretisch wäre es also möglich, dass direkt zwei Mal hintereinander die selbe Kartenverteilung gegeben wird (die Wahrscheinlichkeit dafür liegt aber bei gerade einmal 0,000000000000036%).

Genauso wenig, wie wir 365 Personen benötigen, um mit großer Wahrscheinlichkeit zwei Personen mit demselben Geburtstag zu finden, müssen wir nicht 2,7 Billiarden Kartenverteilungen spielen, um zwei Mal auf die selbe Verteilung zu stoßen.

Jetzt zur Mathematik:

Bezeichne p die Wahrscheinlichkeit, dass ein Skatspieler zweimal die gleiche Kartenverteilung erhält. Damit ist q = 1 – p die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht zweimal die gleiche Kartenverteilung erhält. Es dürfte klar sein, dass p mit steigender Anzahl von gespielten Spielen ansteigt (und q in gleichem Maße abnimmt).

Diese Wahrscheinlichkeit beträgt

Wobei n die Anzahl möglicher Kartenkombinationen (s.o.) und k die Anzahl gespielter Spiele darstellt. Zur effizienteren Berechnung von q und zur Ermittlung von k gibt es folgende Abschätzung:

Für k errechnen wir nun k = 40.714.229.

Somit erhalten wir für q die Wahrscheinlichkeit von 0,5, also 50%! Somit ist die Wahrscheinlichkeit für p natürlich ebenfalls 0,5.

Dies bedeutet: Nach „nur“ 40.714.229 (vierzig Millionen) Spielen hat der Spieler mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% zwei Spiele mit der gleichen Kartenverteilung gespielt.

Also: Obwohl der Spieler „erst“ 1 / 70.000.000 (ein Siebzigmillionstel) aller möglichen Spiele gespielt hat, hat er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zwei der Spiele mit der gleichen Kartenverteilung gespielt.

Wenn drei Spieler Tag und Nacht Skat spielen und für jedes Spiel 3 Minuten benötigen, dann benötigen Sie über 15 Millarden (genau: 15.715.150.733) Jahre, um alle möglichen Kartenverteilungen durchzuspielen. Aber sie benötigen „nur“ 232 Jahre, um mit 50% Wahrscheinlichkeit einmal dasselbe Spiel zu spielen.

Natürlich sind 232 Jahre immer noch ganz schön viel. Aber es ist deutlich weniger als 15 Milliarden Jahre.

Also stimmt die Aussage immernoch: Man wird in seinem Leben niemals dieselbe Kartenverteilung zwei Mal spielen.

Oder doch?

Gehen wir das Problem einmal von der anderen Seite an. Wir nehmen uns einen sehr aktiven Skatspieler. Dieser spielt zwischen seinem 20. und 80. Lebensjahr 250 Spiele pro Woche (also ca. 7 Serien am Dreiertisch). Er spielt in diesen 60 Jahren also ca. 780.000 Spiele. Runden wir einmal großzügig auf 800.000 Spiele auf. Das ist immernoch ziemlich weit weg von 2,7 Billiarden (es sind 0,0000003% aller möglichen Kartenverteilungen).

Die Wahrscheinlichkeit, dass er in diesen 800.000 Spielen zwei Mal dieselbe Kartenverteilung gespielt hat, beträgt immerhin 0,03%. Auf den ersten Blick ist das immernoch sehr, sehr unwahrscheinlich, aber wenn man bedenkt, dass die Wahrscheinlichkeit für 6 Richtige mit Zusatzzahl beim Lotto bei gerade einmal 0,0000007% liegt…

Also ist es durchaus möglich, zweimal im Leben dieselbe Kartenverteilung zu spielen. Ich glaube aber nicht, dass das Skatspiel deshalb an Faszination verlieren wird.

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Aberglaube

Skatspieler sind abergläubig. Und wie! Egal ob blutiger Anfänger oder knallharter Profi. Ein bisschen Aberglaube steckt in (fast) jedem.

Ich bin Informatiker und Mathematiker. Und Atheist. Ich bin nicht abergläubig. Aber beim Skat…

Der Aberglaube äußert sich meist dann, wenn nichts läuft. Man sitzt da und schaut den anderen Spielern bei ihren schönen Spielen zu. Und dann beginnt es. Der Skatspieler ändert sein Verhalten und greift zum „Skat-Voodoo“.

„Einen Grand Hand nimmt man geschlossen auf.“

Die ganze Zeit wurden die Karten aufgenommen, wie der Geber sie verteilt hat. Jetzt bleiben die Karten liegen, bis jeder Spieler alle seine Karten hat. Da muss das Blatt doch besser werden.

Vor dem Abheben werden nochmal die Finger gestreckt, bis die Knochen knacken. Und dann muss man natürlich mal mit links abheben, wenn man zuvor die ganze Zeit mit rechts abgehoben hat. Was soll da jetzt noch schief gehen?

Die Rituale, die in solchen Situationen durchexerziert werden, sind zahlreich. Man dreht den Stuhl herum, setzt seine Baseballkappe falsch herum auf und geht sich buchstäblich die Hände waschen.

Als rational denkender Mensch weiß ich, dass das alles nichts nützt. Der Wahrscheinlichkeit ist es völlig egal, mit welcher Hand ich abhebe oder welches Kleidungsstück ich wierum anhabe. Aber Schaden kann es ja schließlich auch nicht. Und es vermittelt wenigstens das Gefühl, aktiv gegen einen Zustand ankämpfen zu können, den man eigentlich gar nicht beeinflussen kann.

Bei Spielern, die einen Lauf haben, sind solche heidnischen Rituale deutlich seltener anzutreffen. Es gibt mal einen Protest, wenn ein Mitspieler mit weniger Kartenglück ein neues Kartenspiel fordert oder man hält den Harndrang etwas länger zurück, da man Sorge  hat, durch den Gang zur Toilette würde der Lauf unterbrochen. Bei einem Lauf ist man also eher versucht, nichts zu unternehmen, was ihn unterbrechen könnte. Das kann selbst den stärksten Raucher dazu veranlassen, seinen sinkenden Nikotinspiegel noch ein Weilchen länger zu ertragen.

Aber ich bin ja nicht abergläubig. Ich habe daher auch gar keine solchen nutzlosen Rituale. Wenn es bei mir nicht läuft, dann ertrage ich das wie ein Mann.

Eine so richtig schlechte Serie habe ich ohnehin nur ganz selten. Und natürlich auch nur dann, wenn meine Glückssocken gerade in der Wäsche sind.